Arglistige Täuschung durch „Rechnungen“ von Gewerbedatenbanken oder Internet-Branchendiensten

21. Juli 2011 | Von | Kategorie: Steuern und Recht

Immer wieder fallen Unternehmen auf unseriöse Internet-Branchenverzeichnisse oder sogenannte Gewerbedatenbanken herein. In der Beratungspraxis des Anwaltes kommen insbesondere zwei Vorgehensweisen immer wieder vor:

Der Unternehmer erhält ein Anschreiben, das den Eindruck erweckt, seine Daten seien in ein Verzeichnis aufgenommen worden, er solle nun deren Richtigkeit überprüfen. Einige Daten sind tatsächlich im Anschreiben eingetragen, bei Lücken heißt es „muss durch Sie ergänzt werden“. Nur wer genau hinschaut erkennt, dass es sich tatsächlich um ein kostenpflichtiges Angebot auf Aufnahme der Daten in eine Datenbank handelt. In der Hektik des Büroalltages bleibt oft genug jedoch keine Zeit für eine solche genaue Prüfung des Schreibens.

In einer uns vorliegenden „Offerte“ heißt es, die Daten des Empfängers würden in eine „zentrale Gewerbedatenbank“ aufgenommen und „auf Bundes- und Europäischem Standard zu Marketing und Auskunftszwecken“ ausgewertet. Oft werden die Daten des Unternehmers tatsächlich in eine Datenbank eingepflegt; dieser Eintrag ist für den Unternehmer allerdings in der Regel wertlos, da Neukunden über die oft unprofessionell aussehenden und selten aufgerufenen Verzeichnisse nicht zu gewinnen sind.

Wer ein solches Formular unterschreibt und abschickt, erhält umgehend eine Rechnung des „Branchendienstes“.

Besonders dreist sind Fälle wie die des „Deutschen Unternehmensregisters“ (nicht zu verwechseln mit dem seriösen Unternehmensregister des Bundesanzeiger-Verlages, der sich bereits genötigt sah, mit einer Pressemitteilung auf diesen Mißbrauch hinzuweisen), das  einen „Bescheid über Eintragungsgebühren für Ihr Unternehmen“ verschickt – komplett mit „Rechtsbehelfsbelehrung“ und liebevoll gefälschtem Behördenstempel samt Bundesadler. Das Anschreiben ist überschrieben mit „Bescheid über Eintragungsgebühren für Ihr Unternehmen“ – der unbefangene Empfänger muss den Eindruck gewinnen, eine hoheitliche Leistung müsse nun bezahlt werden.

Das Verhalten des „Deutschen Unternehmensregisters“ dürfte strafrechtlich relevant sein. Wer auf eine solchen „Gebührenbescheid“ hereinfällt, hat daher gute Chancen, sich notfalls vor Gericht gegen die Zahlung der „Gebühr“ wehren zu können.

Doch was ist in den übrigen Fällen, in denen ein als Rechnung oder Erhebungsbogen aufgemachtes Schreiben vorschnell unterschrieben und zurückgeschickt worden ist? Die tatsächliche Rechnung über Eintragungsgebühren lässt dann in der Regel nicht lange auf sich warten.

Formal besteht die Forderung zu Recht: Auch im hektischen Betrieb der Buchhaltung wird man von einem Unternehmer erwarten müssen, dass er alle Anschreiben prüft und insbesondere den Unterschied zwischen einer Rechnung für bereits erbrachte Leistungen einerseits und dem Angebot auf Erbringung entgeltlicher Leistungen andererseits erkennt. Die uns vorliegenden Formulare sind üblicherweise mit erheblichem Aufwand so entworfen, dass sie bei objektiver Betrachtung alle wesentlichen Informationen enthalten, insbesondere dass es um kostenpflichtige Angebote geht, die der Empfänger annehmen kann – oder auch nicht. Diese Informationen werden aber in kleiner Schrift und in Schachtelsätzen versteckt und können leicht übersehen werden.

Wenn sich der Datenbank-Betreiber darauf beruft, ein Vertrag sei zustandegekommen, kann es dem Unternehmer daher helfen, seine Erklärung wegen arglistiger Täuschung, hilfsweise auch wegen Irrtums anzufechten mit der Begründung, er sei sich beim Ausfüllen des Formulars und beim Zurücksenden nicht bewusst gewesen, damit eine rechtlich verbindliche Erklärung abzugeben.

Den Irrtum des Unternehmers hat das AG St. Wendel in einem Urteil gegen den Betreiber des Verzeichnisses „branche100.eu“, der von einem Kunden Zahlung von rund 900 € zzgl. Kosten verlangte, so beschrieben (Urteil vom 27. Mai 2010 – 4 C 46/10):

„Wer bewusst unklare Formulierungen verwendet, um beim Adressaten einen Irrtum zu erzeugen, kann die Verantwortung für den Erfolg grundsätzlich nicht deshalb verlieren, weil der erfolgreich Getäuschte die Unklarheit bei Anwendung höherer Sorgfalt hätte erkennen können… Die Klägerin nutzt den bewussten Umstand aus, dass jeder Gewerbetreibende aus Werbezwecken grundsätzlich daran interessiert ist, im Branchenverzeichnissen vollständig und korrekt erfasst zu sein, und insofern eine gewisse Neigung hat, den „Brancheneintragungsantrag“ vervollständigt und korrigiert zurück zu senden, mag er auch bei flüchtiger Durchsicht nicht richtig verstehen, worum es geht.“

Erfahrungsgemäß bleiben die Branchendienste von diesen Argumenten zunächst unbeeindruckt und drohen weitere Schritte an, gelegentlich kommt auch ein unfreundliches Anschreiben eines Inkassodienstes, der nun auch Inkassogebühren fordert. Wenn ein Anspruch nicht besteht, was in jedem Einzelfall geprüft werden muss, können solche Drohgesten in aller Regel ignoriert werden, solange nicht ein Mahnbescheid zugestellt wird oder ein Anwalt schreibt. Wer sich nicht einschüchtern lässt, mag gar überlegen, selbst aktiv zu werden und eine gerichtliche Feststellung herbeizuführen (durch eine sogenannte negative Feststellungsklage), dass eine Forderung nicht besteht.

So hat kürzlich das Amtsgericht Bonn in einem Rechtsstreit gegen einen Branchendienst entschieden, der einem Arzt eine „Offerte“ über die „Veröffentlichung der Firmendaten“ geschickt hatte. Unter der Überschrift „Kostenloses Servicefax“ war klein vermerkt: „Eintragungsbeitrag mtl. zzgl. MwSt. EUR 63.- Datensatz gilt für zwei Jahre“. Der Branchendienst hatte daraufhin eine Jahresgebühr in Höhe von 899,64 geltend gemacht. Der Arzt setzte sich zur Wehr – mit Erfolg: Das Gericht kam nach Würdigung des Anschreibens zu dem Ergebnis, der Branchendienst habe den Angebotscharakter des Anschreibens verschleiert und dadurch den Empfänger arglistig getäuscht (Urt. v. 06.04.2011 – Az. 101 C 453/10). Der Versuch des Branchendienstes, den Arzt in Anspruch zu nehmen, ging nach hinten los: Er bekam nicht nur kein Geld, sondern musste nun auch die Anwalts- und Gerichtskosten übernehmen.

Wie immer gilt jedoch: Jeder Fall liegt anders. Die Branchendienste verfolgen die Rechtsprechung aufmerksam und entwickeln ihre Anschreiben stetig fort, so dass eine offensichtliche Täuschungsabsicht nur selten eindeutig feststellbar sein dürfte. Wer sich unsicher ist, sollte sich rechtlich beraten lassen.

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